Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so viele Sachen zum ersten Mal gemacht habe wie auf dieser Reise. Heute: Tauchen. So richtig mit atmen unter Wasser! Das ist wie träumen, dass man fliegt, nur krasser.
In Chankanaab, einem Nationalpark in Cozumel, kann man allerlei tolle Dinge erleben oder einfach nur einen schönen Tag an einem traumhaften Strand verbringen. Mario und Amelie wollen dort tauchen gehen, die beiden haben das schon öfter gemacht, ich noch nie. Kein Problem, sagen sie, krieg ich hin. Also bekomme ich eine Einweisung, mein schweres Equipment umgeschnallt (inklusive Bleigürtel!) und ab ins Wasser.
Meine ersten Versuche, durch den Mund durch den Schlauch zu atmen sind etwas holprig und ich schaffe es nicht, meinen Kopf auszuschalten. Unter Wasser kann man nicht atmen, das ist einfach nicht möglich!! Ich bewege mich sehr gern unter Wasser, aber eben bisher immer nur mit soviel Luft, wie ich selbst speichern kann, oder an der Oberfläche mit Schnorchel.
Während ich mich also am Treppengeländer, das ins Wasser führt, festhalte, mit aufgeblasener Weste an der Oberfläche schwimme und wirklich nur das Gesicht ins Wasser halte, kriege ich einen kurzen Anflug von dezenter Panik, atme viel zu flach und kann mir nicht vorstellen, dass das mit dem Tauchen und mir klappt. Zum Glück nur die ersten drei Minuten. Der Guide nimmt mich an der Hand, findet die richtigen Worte und wir tauchen ab. Ich gewöhne mich daran, durch den Mund durch den Schlauch tief ein- und aus zu atmen, finde es sogar sehr entspannend. Ein bisschen wie beim Yoga.
Dann sehe ich so viele Fische, Korallen und in der Ferne Skulpturen im kristallklaren Wasser, dass ich neugierig werde, es schaffe, den Kopf auszuschalten und das Atmen plötzlich automatisch funktioniert. Wir tauchen tiefer und weiter weg vom Ufer, der Guide hält meine Hand und ich bin in einer anderen Welt. Sowas Schönes habe ich selten erlebt (ja ich weiß, das habe ich hier schon öfter geschrieben und ich bin wirklich wahnsinnig dankbar und weiß es sehr zu schätzen, dass ich so viele so tolle Sachen erleben darf)
Ich träume manchmal, das ich fliege und plötzlich wird mir im Wasser bewusst, dass sich das im Traum genau so anfühlt, wie Tauchen in echt. Schwerelos sein, schweben und genießen. Alles ist gedämpft und ruhig, außer meinem gleichmäßigen Atem und den Blubberblasen beim Ausatmen höre ich kaum etwas. Nur das Knistern am Meeresgrund.
Und was da alles rumschwimmt!! Rochen wühlen sich durch den Sand, hunderte kleine und große Fische. Bunte Papageienfische, durchsichtig schimmernde, ziemlich blöd dreinschauende andere Fische, alle Farben des Regenbogens wuseln elegant umher und umkreisen das Riff. Es ist, als wäre ich in Findet Nemo gelandet, nur ohne Ton. Der Guide zeigt in alle möglichen Richtungen und macht uns auf die Kreaturen aufmerksam. Diesmal sehe ich wirklich echte Barracudas, Hummertiere und leider auch Seeaale und Moränen (igittigitt). Korallen überall, geschäftiges Unterwassertreiben und ich mittendrin. Es ist so schön und ich bin so gerührt, dass mir die Tränen kommen und ich fast anfange zu weinen. Aber ich reiße mich zusammen, denn ich weiß nicht, ob das nicht gefährlich ist, 10 Meter unter der Wasseroberfläche. Tränen in der Tauchmaske? Vielleicht keine gute Idee, Rotz auch nicht. Also: keep calm and just breathe. Gleichzeitig würde ich am liebsten schreien vor Glück, aber das geht natürlich auch nicht. 10 Meter unter dem Meer. Ich schwebe, ich fliege. Schwerelos in einer anderen Welt. Mir wird plötzlich bewusst: es ist nicht nur eine Reise um die Welt, sondern auch eine Reise in eine andere Welt und ich bin der größte Glückspilz beider Welten.
In Chankanaab gibt es Skulpturen unter Wasser, die Virgin Mary ist die bekannteste von Ihnen und wird einmal im Jahr an die Wasseroberfläche geholt. Alle Boote und Schiffe, auch die Fähren, die zwischen Playa del Carmen und Cozumel hin und her pendeln, reihen sich auf und bitten um Glück auf dem Meer fürs nächste Jahr. Der Guide gibt mir ein Zeichen, ich soll mich kurz an Mary statt an ihm festhalten. Mit Amelies GoPro macht er Fotos von uns und kurz darauf geht's weiter.
Der Guide hält noch immer meine Hand und führt mich behutsam um das Riff und in Richtung einer Höhle. Das Wasser wird auf einmal so... so... krisselig? Schwammig? Und kalt! Die Sicht verschwimmt und mir fällt ein, dass Amelie an Land zu mir gesagt hat: dort, wo sich Süß- und Salzwasser vermischen, wird es "blurry". Eine Cenote an Land ist unterirdisch mit dem Meer verbunden genau vor der Höhle, die den Übergang bildet, sind wir. Je weiter wir uns in die Höhle bewegen, desto kälter und klarer wird das Wasser. Wir tauchen weiter hinab und hinein in die Dunkelheit. Sehr schnell wird es wirklich sehr dunkel und mein einziger Gedanke ist: "nicht die Hand loslassen!". Ich klammere mich an die Hand des Guides und schließe die Augen, ich habe ja plötzlich keine Aussicht mehr zu genießen sondern nur das Gefühl der Schwerelosigkeit.
Es wird wieder heller, am Ausgang der Höhle erwartet uns ein häßlicher, aber zum Glück freundlicher Barracuda und lässt uns vorbei während er sich gelangweilt wegdreht. "Touristen..." denkt er sich wahrscheinlich, er scheint Besuch in seiner Höhle gewohnt zu sein und erträgt uns mit Fassung.
Zurück im salzigen klaren Wasser werden wir plötzlich angeschoben. Das ist die Strömung vor der Küste, die ziemlich stark ist. Mit "Rückenwind" lassen wir uns nun treiben, ganz schön rasant gehts durch die Unterwasserwelt! So schnell kann ich gar nicht schauen!
Während ich also, 10 Meter unter dem Meer, in Gedanken ausflippe vor Glück, freue ich mich gleichzeitig darauf, über Wasser wieder normal atmen und reden zu können. Als der Guide uns den Daumen hoch zeigt, das Zeichen für Auftauchen, schüttle ich trotzdem frech den Kopf. Ich will noch nicht wieder hoch! Aber er ist der Boss und wird schon wissen, was er tut und was wir tun sollen. Also tauche ich, schwerelos und trotzdem schweren Herzens, langsam nach oben.
In allen Sprachen versuche ich zum Ausdruck zu bringen, wie großartig dieses Erlebnis für mich war. "That was so amazing, total krass, incredible!" blubbert es aus mir heraus, jetzt, wo ich endlich wieder sprechen kann nach für mich relativ langer Zeit des Schweigens ;)
Ich fühle mich total high, obwohl ich nicht hoch oben sondern relativ tief unten war. Aber so ist es eben mit Highlights: die müssen nichts mit Höhe zu tun haben und ich darf mich glücklich schätzen, so viele Highlights erleben zu dürfen.
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